NICHTS IST BESSER ODER SCHLECHTER, NUR ANDERS
Jun 27, 2018
#frauenpower #liebe #liebesleben
Warum der Vergleich mit anderen vergleichsweise schlecht für uns ist
Frauen mit seidig-glatten Beinen und strahlend-jugendlichem Teint lächeln uns von Plakaten, aus Zeitschriften, dem Fernsehen oder dem Netz entgegen; Menschen, die alles haben und alles können. Inzwischen ist ganz gut bekannt, dass diese Bilder nicht real sind – kein Werbebild der Welt kommt ohne Photoshop aus, kaum ein Social-Media-Foto ohne Filter.
In der Theorie ist mir klar, dass der Vergleich meiner selbst mit einem digital manipulierten Menschen reiner Unsinn ist. Aber mein Unterbewusstsein schluckt es trotzdem und ich ertappe mich bei der nächsten Yogastunde beim Gedanken, dass meine Beine besonders stoppelig und dellig und aderig sind und – meine Güte – ist mir da etwa eine Ecke Nagellack vom großen Zeh geplatzt? Hoffentlich bemerkt es niemand.
Zahlreiche Studien belegen, dass heutzutage schon Kinder damit beginnen, ihren Körper als makelhaft wahrzunehmen, und dass das Selbstwertgefühl von jungen Mädchen und Frauen nach einer Stunde Zeitschriftenlektüre eindeutig gesunken ist. Andere, schönere Menschen zu betrachten, macht uns also unglücklich, weil sie unsere eigenen Unzulänglichkeiten scheinbar noch stärker unterstreichen – und das wirkt sich direkt auf unser eigenes Körpergefühl aus.
Es ist unheimlich schwer, sich dem Vergleich mit anderen zu entziehen, denn jeden Tag werden wir mit rund 5000 Werbebotschaften konfrontiert und wer hat schon die Zeit, sich bei jedem Bild zu denken: „Ach, das ist doch nur Photoshop/Botox.“ Je geringer unser Selbstwertgefühl, desto anfälliger sind wir dafür, uns mit anderen vergleichen zu wollen. Keine gute Idee, denn vor allem, wenn wir explizit nach dem Vergleich suchen, werden wir ihn immer finden – auch in anderen Bereichen unseres Lebens: Die Kim aus der Parallelklasse hat schon einen festen Freund, der Herr Fleischer aus der Buchhaltung verdient garantiert richtig viel und die Nachbarin ist immer so unendlich gelassen, wenn ihr die drei Kinder am Bein hängen und der Hund im Hof nonstop bellt. Bleibt uns nur die Schlussfolgerung: Alle sind besser als ich. Das führt dazu, dass der Selbstwert noch weiter bröckelt. Autsch.

Aber auch in die andere Richtung kann verglichen werden
Um unser Selbstwertgefühl zu erhöhen, gucken wir gerne mal auf Leute, die Schuppen in den Haaren haben, ein Jahr länger Single sind als wir und im Burgerladen an der Theke stehen müssen, um sich ihre kleine Wohnung leisten zu können. Klar, funktioniert vielleicht für den Moment, aber mal ehrlich, seinen Selbstwert aus weniger Privilegierten zu ziehen, kann ja nun auch nicht die Lösung sein. Und zu einem schöneren Menschen macht uns das garantiert auch nicht.
Menschen wollen sich immer irgendwo einordnen können. Und manchmal ist das vielleicht auch motivierend, weil wir sehen, wie jemand jeden Morgen eine Runde joggen geht. Oder total toll zeichnen kann. Es spornt uns an. Wir vergessen dabei leider oft, dass der Zeichner womöglich jahrelang geübt und der Jogger auch nicht mit dem Finger geschnipst hat und auf einmal total fit war. Wenn wir uns also nach hundert Metern keuchend an einen Baum klammern oder der Versuch eines Bildes auch aus der Vorschulklasse unseres Bruders stammen könnte, dann sollten wir an Folgendes denken:
Nichts ist besser oder schlechter, nur anders. Der Lyriker Oliver Buss hat das mal gesagt und da steckt eine ordentliche Portion Wahrheit drin. Was geht es uns auch an, wie die anderen aussehen, was sie verdienen, wie oft sie in den Urlaub fahren? Jeder Mensch ist halt anders – ob besser oder schlechter ist unsere eigene, subjektive Wahrnehmung und die hilft selten weiter. Der Weg aus dem Vergleichsmodus ist leider gar nicht so leicht. Den ersten Schritt machst du, indem du diesen Artikel liest. Yay!
Fange an, dich selbst zu beobachten. Wann vergleichst du dich mit anderen? Wie fühlst du dich dabei? Warum tust du das? Überhaupt zu merken, wie man sich durch solche Gedanken selbst sabotiert, ist ein guter Start.
Und wenn dich nächstes Mal der Vergleichsneid packt, versuch mal, dich für die andere Person zu freuen. Das mag nicht immer gelingen, aber wer positive Gedanken in die Welt setzt, wird positive Gedanken zurückbekommen. Ja, ich weiß, alter Hut, stimmt allerdings nach wie vor.
Falls du es noch nicht so genau weißt, finde heraus, was du gut kannst, welche deine Vorzüge sind, wofür dich andere schätzen. Vielleicht kannst du keinen einarmigen Handstand, dafür aber alle Namen der Kardashians rückwärts buchstabieren? Das sind Skills, die ich an dieser Stelle nicht bewerten werde. Warum auch? Ich gönne sie dir beide von Herzen! Und wenn du dich unbedingt mit wem vergleichen möchtest, dann vergleich dich doch mit dir selbst. Letztes Jahr um die Zeit wusstest du vielleicht noch nichts über ökologische Landnutzung und hast noch an den Fingernägeln gekaut. Das ist jetzt anders? Super! Das hat sich eher verschlechtert? Na, dann ran da!
Und zu guter Letzt: Ärgere dich nicht über dich selbst. Veränderungen brauchen Zeit. Das gilt nicht nur für deinen persönlichen Idealkörper, sondern auch für dein Selbstwertgefühl. Ich wette, Buddha selbst hat sich auch mal so was gedacht wie: „Ach, guck mal, der Typ da hat ja noch längere Ohrläppchen als ich. Will ich auch!“ Und das ist auch okay so, denn wie wir ja bereits wissen: Niemand ist perfekt und niemand sollte versuchen, es zu sein.
Jule Müller / Gründerin von