BERLIN MACHTE MICH ZUM SINGLE-ZOMBIE

Berlin zu hassen ist heutzutage kein Kunststück mehr. Übergelaufene Mülleimer, es riecht nach Hundekacke und an gefühlt jeder Ecke steht ein Mensch, der vermutlich in einer Psychiatrie besser aufgehoben wäre. Berlin stinkt, im wahrsten Sinne des Wortes. Warum sich das trotzdem so viele Menschen antun und jedes Jahr neue dazukommen? Sie alle suchen etwas. In Berlin nach Liebe zu suchen ist ein Fehler.

Berlin ist die Hauptstadt der Alleinlebenden. Man könnte also davon ausgehen, dass die Menschen hier nach der Liebe suchen würden. Das merkt man besonders, wenn man sich das erste Mal die Datingapp tinder installiert. Wer sich vornimmt innerhalb kürzester Zeit alle vorgeschlagenen Singles in der Nähe „durchzuwischen“, dem kann ich aus Erfahrung sagen: Vergesst es, das ist nicht zu schaffen. Jeder Wisch ist eine neue Chance auf die große Liebe. Überwältigt von den unzähligen möglichen Zukünftigen, ließ ich mich auf die Datingwelt Berlins ein. Es war ein Fehler.

Mit jedem veganen Chai-Latte wurde ich gefühlskälter

Das Problem an der Sache: eine dauerhafte Liebe in Berlin zu finden, ist ziemlich unmöglich. Man trifft auf Freigeister, die in Gedanken schon die nächste Weltreise planen, Touristen, die lieber einen Touristenführer hätten, als einen Partner, und die „normalen“ Berliner, die aufgrund der ganzen Freigeister und Touristen gar keinen Bock mehr haben, einen Menschen richtig kennenzulernen. Tja, dumm gelaufen. Dumm gelaufen für mich, muss ich dazu ergänzen. Ich traf nur auf Egomanen, Selbstdarsteller und Gefühlskalte. Schöne Scheiße. Das Ende vom Lied war: Es hat mich wahnsinnig gemacht! Mit jedem Kaffee und jedem veganen Chai-Latte wurde auch ich gefühlskälter. Was soll da noch kommen, wenn ich schon bei gefühlten 100 Dates nicht einen einzigen Kerl gefunden habe, der beziehungstauglich und dazu noch beziehungswillig war? Manchmal fühlten sich meine Datingpartner wie Zombies an, die ohne jegliche Herzenswärme durch die Straßen liefen, auf der Suche nach dem einen Menschen, der sie wieder zum Leben erwecken würde. Sie schlurften von Date zu Date mit einem gleichgültigen Blick, der ihren Mitmenschen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Daran änderten auch die Blumen nichts, die einige der Zombies wie ein Accessoire bei sich trugen.

Alt tag
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Ich war selbst zu einem Single-Zombie geworden

Sie brabbelten über große Zukunftspläne: Familie gründen, Haus bauen, Baum pflanzen. Doch während sie so vor sich hin erzählten, wurde mir kalt. Es waren nur leere Worte, die mich erreichten. Braves Kopfnicken, am Ende des Treffens eine Umarmung. Tag für Tag zog ins Land und meine Laune wurde immer schlechter. Diese ganzen Menschen bereicherten mich nicht. Sie zogen an mir vorbei, so dass ich schon nach einer Woche nicht mehr wusste, mit wem ich mich vor ein paar Tagen getroffen hatte. Während ich mal wieder mit einem veganen Chai-Latte in meinem Lieblingscafé saß, sah ich mein aktuelles Date zittern. Nachdem er sich unauffällig die Jacke angezogen hatte, wurde es mir schlagartig klar: Ich war selbst zu einem Single-Zombie geworden. Ich war es nun, die andere Menschen mit ihrer Gefühlskälte zum Schaudern brachte.

Liebe Singles, macht einen Bogen um Berlin. Habt Mitleid mit den Hipster-Single-Zombies, die so emotionslos durch die Großstadtstraßen schlurfen und nehmt sie in den Arm, sie haben etwas Wärme verdient. Um euch zu beruhigen, es geht auch anders. Berlin hat mich gelehrt, dass ich nicht mit der Masse schwimmen muss, um glücklich zu sein. Sagt Nein zum Massendating. Sagt Nein zum unpersönlichen Kaffeetrinken, bei dem euer Gegenüber austauschbar ist. Zeigt Herzenswärme und sorgt damit dafür, dass euer Date die Jacke nicht an- sondern auszieht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, es funktioniert - denn ich habe ihn auch ohne den zombifizierten Datingzirkus der Hauptstadt gefunden, meinen Herzensmenschen, der mein Gefühle wieder auf Körpertemperatur brachte.

Jule von Jule Blogt

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